Schon fast sechs Monate, ein halbes Jahr, dass ich hier im schönen Oban lebe und arbeite. Die Zeit ist mir wie im Flug um die Ohren gesaust.
Die ersten Frostnächte liegen hinter uns, ...
Gestern habe ich still und leise mit der ganzen Welt die überaus deutliche Wahl von Barack Obama in den USA gefeiert. Das gibt doch wieder ein wenig Hoffnung, dass nicht alles verloren ist, nicht wahr?
Doch sonst verläuft mein Leben zur Zeit eher apolitisch. Im Grossen Ganzen habe ich es hier viel besser als erwartet. Mein Kreis von FreundInnen, Bekannten und NachbarInnen, mit denen ich mich gut verstehe, ist schon ganz beachtlich. Das ist das Schöne an einem nicht so grossen Ort: Man lernt sich relativ rasch kennen. Jedenfalls kommt es oft vor, dass ich auf einer Strecke von 200 Metern im Städtchen vier, fünf Bekannte treffe. Da kommt man nicht schnell voran, weil doch mit jedem kurz ein Schwatz abgehalten werden muss.
Gestern war hier Bonfire Night, so was ähnliches wie in der Schweiz der 1. August, und da ging es in der Wohnung unter meiner ziemlich hoch her, mit Palaver und Musik. Ist ja auch ok. Aber dass die lieben Nachbarn ab Mitternacht und bis um 1h15 beschlossen, irgendetwas mit Gehämmer und Gepolter im Badezimmer zu flicken, nehme ich an, fand ich schon ein wenig den Gipfel. Ich habe dann laut um Ruhe gebeten, das hat genützt. (Und heute habe ich halt wieder einmal eine Beschwerde an die Hausverwaltung abgeschickt.) Wieso ich nicht schon längst wieder ausgezogen bin? Weil ich mich sonst hier sehr wohl fühle. Und solche Aussicht geniesse:
Zum Glück wohnt im Moment niemand oben, die/den ich mit meinem Geschrei stören könnte -- die junge Nachbarin mit ihrer Tochter und ihrem unmöglichen Hund sind vor knapp zwei Wochen ausgezogen -- hurrah! Sie haben mir noch keinen Moment lang gefehlt, obschon ich mich nicht unbedingt schlecht mit ihnen verstand, bis zum Tag, als ich mich dagegen wehrte, dass sie ihren Hund in "meinem" Garten rumrennen lässt. Das hat sie ganz schlecht goutiert, doch ich sagte bloss: Du kannst den Garten gerne mitbenutzen, aber dann arbeitest Du auch mit. Bisher habe ich alles alleine gemacht: Gras geschnitten, Unkraut gejätet, Sträucher zurückgestutzt, Stauden, Pflanzen, Blumen gesetzt. Und das macht mir ja auch Spass. Aber wenn ich schon die ganze Arbeit mache, will ich auch bestimmen, wer hier rumfuhrwerkt. Kinder sind ok. Doch Hunde will ich nicht, denn sonst kommen alle von ringsum und verkoten alles. Im Haus nebenan dürfen die Hunde das, aber ich finde es ekelerregend in einem Rasen, auf dem dann Kleinkinder rumkrabbeln und spielen, auch wenn der Kot eingesammelt wird.
Item. Zum Thema Hund könnte ich mich inzwischen stundenlang auslassen, das ist schon fast zu meinem Lieblingsärger geworden. Ich glaube, 50-75% aller Leute, die hier leben, haben einen Hund, gleich ob sie in einem grossen Haus mit Garten leben, wo das ja durchaus ok ist, oder in einer winzigen Wohnung, wie hier, wo ich es eben nicht ok finde, schon nur für die Tiere nicht. Der Hund der Nachbarin oben war völlig gestört -- er hat gejault und geheult wie ein Wolf, weil ihm so langweilig war, stundenlang allein in der Wohnung eingesperrt. Er war ein Findlingshund, sicher mit unschönen frühen Erfahrungen, Trennungstrauma und so, zudem eine Mischung zwischen Labrador und Border Collie, also recht gross und völlig unterfordert, weil er auf keinen Fall auf seine 10-15 Meilen pro Tag kam. Jetzt wohnen sie in einem Häuschen etwas ausserhalb von Oban, in der Nähe der Mutter meiner ex-Nachbarin, wos einen grossen Garten und viel Auslauf hat für das Tier. Ich bin froh für sie; die junge Frau war 8 Jahre lang auf der Warteliste!
Was noch? Ich singe seit zwei Wochen im Oban Bach Choir mit und bin inzwischen auch bereits voll einbezahltes Mitglied. Alles überaus charmante Menschen, freundlich, froh, mich dabei zu haben. Wir proben Elias/Elijah von Mendelssohn, pietistisch-religiös, nicht allzu schwierig zu singen, aber mit ganz passabel dramatischen Teilen und dann wieder so richtig schwelgerisch-pathetischen Chorälen. Eigentlich gar nicht mein Ding, aber es ist einfach schön, mit anderen Menschen zu singen und die Stimmen zusammen zu bringen. Ich hab von Anfang an klar gemacht, dass ich mit der Kirche nichts am Hut habe, aber das ist ok für alle, was ich schön finde.
Soviel für heute. Auf bald wieder.