Sunday, 29 January 2012

Naturbeobachtung vom Schiff aus – Corrywreckan

Guten Sonntag! Endlich wieder Mal ein Eintrag...

Richard
Seit etwas über drei Monaten wohne ich wieder in Oban, etwas am Rand, aber doch in Fuss-Reichweite des Zentrums. Ich geniesse es, nur fünf Gehminuten vom Meereststrand zu leben. Nah am Meer zu sein ist mir schon fast überlebenswichtig. Das grosse Atmen jeden Tag mitzuerleben, das Kommen und Gehen von Flut und Ebbe, hält mich im Leben und bringt alles in seine richtigen Relationen.

Hier findet Ihr ein paar Bilder von meinem jüngsten Ausflug aufs Meer, mit einer Gruppe von Naturbegeisterten, unter kundiger Leitung von Skipper David Ainsley – Sealife Adventures, und Richard Wesley, dem Präsidenten der Seil Natural History Group, SNHG.

Vom Wasser aus gesehen, ein uraltes Haselgehölz
Unser Weg von Clachan Seil, wo wir um ca. 9h30 ablegten, führte an Belnahua und dem Leuchtturm auf der kleinen Insel Fladda vorbei ...
Fladda mit Leuchtturm

... nach Scarba und Jura. Auch die bewohnte Insel Luing kam unterwegs in den Blick, wo zwischen Festland und Insel ganz schön reissende Ströme herrschen. Erst um ca. 13h legten wir nach einer an sich ruhigen Fahrt bei trockenem, wenn auch nicht besonders sonnigen Wetter wieder in Clachan Seil an. 
Ausser Schafen und Braunvieh notierten wir alles, was uns vors Auge und den Feldstecher kam: Meeradler, Goldener Adler, wilde Geissen, Rothirsche, Möwen (zu Dutzenden, wenn nicht Hunderten die "gewöhnlichen" Herings- und Schwarzrücken-Möwen, aber auch drei 2-jährige, hier überaus seltene Island-Möwen, die uns über eine halbe Stunde lang nachgeflogen sind).
Sogar der Rücken eines Tümmlers bögelte sich zwei Mal kurz aus den Wellen! 
In einer stillen Bucht auf Jura fanden wir eine kleine Gruppe der immer seltener werdenden "gewöhnlichen Hafen-Seehunde" (Common Harbour Seal – keine Foto). Andernorts und unterwegs sichteten wir jede Menge andere Wat- und Meeresvögel. Auf der kleinen Insel Luing grasten Graugänse sowie Weisswangengänse, die hier Winterquartier machen und in ca. 2 Monaten wieder in ihr arktisches Sommerquartier fliegen werden.
Bloss der mir sehr liebe "Gannet" (Basstölpel) fehlte – dafür waren wir wohl zu wenig weit im offenen Meer, oder fehlte es an Fische(r)n: Die Anzahl dieser Vögel hat infolge widersinniger EU-Fischereigesetze nicht nur an den schottischen Küsten sehr zugenommen: Über die Hälfte des Fanges wird als illegal erklärt und zwingt die Fischer, alles meistens tot wieder ins Meer zurück zu werfen. So ein Unsinn – nach vielen Protesten mahlen diese Mühlen endlich langsam wieder rückwärts, was wohl die Zahl der Basstölpel wieder reduzieren wird...

Davids Boot ist bequem gross genug für 11 Passagiere und bietet sogar heissen Tee oder Kaffee und Biscuits sowie ein (enges) Örtchen für die äusserste Notdurft.

Meine 2. Tasse Kaffee des Tages – heute ganz speziell!
Die Sonne mochte nur ganz knapp durch die dünne Wolkendecke.
Es wirbelt und wallt ganz schön in den engen Passagen der Grey Dogs und des Corryvreckan, wo zudem eine Bergspitze 30m unter Wasser, "the Pinnacle" genannt, für zusätzlichen Druck und bei Flut für enorme stehende Wellen sorgt. Als ob die enormen Unterschiede zwischen dem offenen Meer und den von Inseln geschützten Ufergewässern nicht schon gross genug wäre.

Ein Diagramm der Landschaft unter Wasser, gefunden auf http://www.hebridean-wild.co.uk/, wo es jede Menge spannende Informationen über diesen aussergewöhnlichen Ort zu finden gibt.
Dieses Diagramm beruht auf Daten vom Broadscale Mapping Project, finanziert vom Britischen Krongut/Crown Estate, Countryside Council for Wales, Natural England, Scottish Natural Heritage und der Universität Newcastle (SeaMap Forschungsgruppe), mit zusätzlicher Unterstützung der Europäischen Kommission (Life Programme). Bildgebung: Dr Jon Davies, Joint Nature Conservation Committee, aufgrund von Daten von Dylan Todd, Scottish Natural Heritage. [Copyright Jon Davies (JNCC)] – s. http://www.hebridean-wild.co.uk/about.html
Ah, doch noch ein Sonnenstrahl über dem Wirbelwasser der Grey Dogs.
Lavaschichten auf der kleinen Insel Lunga. Die Meerenge zwischen dieser Insel und Scarba heisst Grey Dog(s) und bietet auch ganz spannende Gewässer mit ansehnlichem Niveauunterschied, wenn die Flut aufs Land zu stürmt. Unser Skipper gab Vollgas, um den Wasserhügel zu meistern; es fühlte sich an wie eine Fahrt die Aare bei Münsingen hinauf, bloss etwas weniger lang...
Oben – genau hingucken: Am Horizont, auf dem Gipfelchen links von der Mitte, steht ein kapitaler Rothirsch.
Auf Scarba kraxeln weisse, gescheckte und dunkelbraune wilde Geisse, darunter mindestens drei Kitze,
diagonal von unten rechts nach oben links eine Hügelflanke hoch.
Etwas weiter unten weidete eine kleine Gruppe Rothirschkühe bewacht von einem jüngeren Bock.
Nach einer spannenden Viertelstunde Kreisdrehen im Wirbel bei Leerlaufmotor gibt der Skipper wieder Gas, um den drittgrössten Meereswirbel der Welt, den Corryvreckan zwischen Scarba und Jura, wieder zu verlassen.
Auf Jura hat George Orwell seinen berühmten, damals überaus futuristischen Roman, 1984, geschrieben.
Jura ist gälisch für Insel der Rothirsche; hier leben ca. 5'500 von ihnen!
Die Sonne kommt knapp durch die Wolken – wir treten die Rückfahrt an.